Das stille Örtchen wird aufgerüstet

Auch eine Hochleistungs-Mini-Kläranlage kann optimiert werden. Eine Arbeitsgruppe testet seit Kurzem in einem Flirt der Schweizerischen Südostbahn AG (SOB) ein neuartiges Verfahren zur Aufbereitung des WC-Wassers. Aufmerksamen Reisenden dürfte die Box kaum entgangen sein.

Bis vor wenigen Jahren wurde der Weg zur Zug-Toilette möglichst gemieden. Veränderte Verpflegungsgewohnheiten an jedem Ort zu jeder Zeit, aber auch die hochmodern ausgestatteten Züge haben hier zu neuen Gewohnheiten geführt. Der Gang zur Toilette gehört heute einfach dazu. Doch was passiert mit all den Ausscheidungen?

Tanksystem und Bioreaktor

Entweder werden die Ausscheidungen in einem Tanksystem gesammelt oder in einem Bioreaktor aufbereitet. Der Voralpen-Express der SOB verfügt zum Beispiel über einen Fäkalientank, der etwa alle drei Tage geleert werden muss. Aus betrieblicher Sicht ist das ein Nachteil. Der Zugeinsatz muss dann nämlich so geplant werden, dass er alle drei Tage an einem Standort mit einer WC-Absaugung steht.

Über ein anderes System verfügen die SOB-Flirts. In ihnen ist ein WC-System mit Bioreaktor eingebaut. Diese Anlage reinigt die Flüssigkeit im fahrenden Zug. Die festen Bestandteile des Abwassers müssen, im Gegensatz zur eng getakteten Tankabsaugung, nur alle zwei bis drei Monate geleert werden. Das ist wirtschaftlicher und bedingt weniger Arbeitsaufwand. Doch es gibt noch einen weiteren Vorteil, der für den Bioreaktor spricht: Die Infrastruktur zum Absaugen braucht man nur an einem Standort.

Bioreaktoren für Schienenfahrzeuge, die einzig von der Firma AKW A+V Protec Rail GmbH in Deutschland hergestellt werden, sind in grösseren Stückzahlen in der Schweiz, Holland und Spanien und vereinzelt auch in Deutschland, Österreich, Italien sowie Frankreich im Einsatz.

Eine Million Liter Wasser für WC-Spülung

In einem SOB-Flirt wird die WC-Spülung durchschnittlich pro Tag ca. 38 Mal betätigt. Alle 22 Minuten drückt eine Person die Spülung, die ca. 0,75 Liter Wasser verbraucht. Das sind bei allen 23 Flirts pro Jahr ca.110‘000 Spülungen und ca. 85‘000 Liter Wasser. Da die Flirt-Serien seit 2007 und 2013 im Einsatz sind, ergibt das rein rechnerisch 1,4 Millionen Spülungen und damit einen Wasserverbrauch von einer Million Liter.

Hochleistungs-Mini-Kläranlage

Ein Bioreaktor ist mit einer Hochleistungs-Mini-Kläranlage vergleichbar. Die menschlichen Ausscheidungen, Papier usw., gelangen über das Vakuum-WC in den Feststoffbehälter. Während die Feststoffe im Filterkorb hängenbleiben und Bakterienkulturen die Rückstände zersetzen, gelangt der flüssige Anteil in den darunter liegenden Flüssigbehälter mit Aktivkohlematten sowie Biofilmträgern. Damit wird die aktive Oberfläche für die Bakterienkulturen erhöht. Durch Zufuhr von Sauerstoff fühlen sich die Bakterien nämlich so richtig wohl und reinigen dabei die Flüssigkeit. Nach einer definierten Verweilzeit gelangt die biologisch behandelte Flüssigkeit in die thermische Hygienisierungseinheit. Um die Bakterien und Viren abzutöten, wird die Flüssigkeit auf 85 Grad erhitzt. Das Wasser hat nun, hygienisch gesehen, Badewasserqualität. Während der Fahrt entleeren sich dann jeweils vier Liter auf das Gleisbett. Die SOB-Flirts haben bisher rund eine Million Liter hygienisiertes Abwasser auf das Gleisbett abgelassen.

Im Bioreaktor bleiben die Feststoffe zurück. Auch diese zerfallen nach und nach, was deren Volumen verkleinert. Dennoch: Seit dem Einsatz der Flirt-Fahrzeuge sind die Bioreaktoren im Service-Zentrum Herisau Total ca. 900 Mal geleert und dadurch ca.115‘000 Liter Fäkalien über die Kanalisation entsorgt worden.

Mit Volldampf gegen Salz

Das hygienisierte Abwasser, das portionenweise auf das Gleisbett gelangt, hat zwar Badewasserqualität, aber es ist minim salzhaltig (chloridhaltig). Wenn ein einmaliges «Salzwasserbad» ja nun aus Sicht eines Badenden eher angenehm ist, so ungünstig wirkt es sich langfristig auf das Korrosionsverhalten des Fahrzeugunterbodens aus – die Tröpfchendusche ohne Chlorid wäre besser. Diesen minimen Chloridanteil aus dem Abwasser zu lösen, war die Aufgabe, der sich eine Arbeitsgruppe aus SBB, Stadler, Bioreaktor Hersteller AKW Protec und SOB gestellt hat. Eine Lösungsvariante besteht darin, das Abwasser zu verdampfen, um so die Chloride aus dem Abwasser zu bekommen. Das flüssige Konzentrat kann dann gleichzeitig mit der Bioreaktorentleerung abgesaugt werden.

Nach mehreren Tests ist nun der Prototyp des Verdampfers im Flirt 526 046 eingebaut worden, um ihn ein Jahr lang in der Praxis zu testen. Die Box im Fahrzeug ist unübersehbar. Bewährt sich das System, werden in einem nächsten Schritt die Bauteile in den Baubereich eines Bioreaktors integriert und stehen für neue Fahrzeuggenerationen zur Verfügung.

 

 

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Hochleistungs-Mini-Kläranlage

Die auffällige Box mit dem Prototyp des Verdampfers befindet sich direkt neben dem WC.